http://www.faz.net/s/RubFBF93A39DCA8403FB78B7625AD0646C5/Doc~EC72DD64394C1475499E4B2F61309831D~ATpl~Ecommon~Scontent.html Rockmusik "Def Leppard" beginnen Deutschland-Tournee in der Jahrhunderthalle 04. November 2003 Taube Leoparden leben länger. Was sich in freier Wildbahn höchstwahrscheinlich als unhaltbarer Zustand erweisen würde, bewahrheitet sich im internationalen Showgeschäft. Zwar erreichte die 1975 in Sheffield gegründete Formation "Def Leppard" ihren kommerziellen Zenit schon Mitte der achtziger Jahre, als Alben wie "Pyromania" und "Hysteria" weltweit in zweistelliger Millionenzahl abgesetzt werden konnten, doch zehrt das fidele Quintett noch heute von seinem einst legendären Ruf. Dabei weist gerade die Historie der nach einer Verballhornung des Anglizismus "Deaf Leopard" benannten Band einige eklatante Schicksalsschläge auf: Schon in der Frühphase wurde Ur-Gitarrist Pete Willis wegen seiner chronischen Alkoholprobleme durch Phil Collen ersetzt. In der Neujahrsnacht des Jahres 1984 verlor Schlagzeuger Rick Allen bei einem Verkehrsunfall seinen linken Arm, was ihn aber nicht davon abhielt, mittels einer Spezialanfertigung weiterhin seiner Pflicht nachzukommen. 1992 schließlich starb Gitarrist und Gründungsmitglied Steve Clark an einer Überdosis Drogen. Wie hypnotisiert blickt Sänger Joe Elliott ins Auditorium der Jahrhunderthalle Frankfurt und bedankt sich gleich mehrfach überschwenglich für den tosenden Applaus. Das einstige Sexsymbol schaut nicht nur gerührt, sondern auch leicht mitgenommen aus. Ganz in tarnendes Schwarz gekleidet, versucht der mittlerweile 44 Jahre alte Sänger und Komponist seine seit der letzten großen Tournee vor sieben Jahren deutlich gewachsenen Rundungen zu kaschieren. Während seine Kollegen - Bassist Rick Savage sowie die beiden Gitarristen Phil Collen und Vivian Campbell - zum Teil oberkörperfrei mit durchtrainiertem Muskelstahl die Fans beglücken, präsentiert sich der immerhin stimmlich in brillanter Form befindliche Gruppen-Chefideologe hochgeschlossen. Der einst ob seiner wilder Eskapaden unterm Scheinwerferlicht berühmt-berüchtigte Entertainer gibt zum Auftakt der Deutschland-Tournee ein eher bemühtes Bild ab. Seine früher so sinnenfreudig erotischen Showeinlagen mit Mikrofonständer und sonstigen Requisiten wirken lahm, verkrampft und allzu brav. Auch wasserstoffblonde Rockikonen kommen irgendwann in die Jahre. Doch was der leicht hüftlahme Frontmann an Kraftakten vermissen läßt, machen seine vier aufgekratzt-spielfreudigen Mitstreiter allemal wett. Mit rechts und links der Bühne jeweils zwölf imposanten Marshall-Boxen im Rücken darf der turbulente Einstieg mit der launig adrenalingesteuerten Interpretation des Gassenhauers "Action" des legendären britischen Glam-Rock-Ensembles "The Sweet" als positives Omen gewertet werden. Rasant und aktionsreich absolvieren "Def Leppard" einen repräsentativen Querschnitt durchs Repertoire, das sich nicht nur an Hits und Evergreens wie "Rocket", "Love Bites" und "Rock Of Ages" orientiert. Weniger euphorisch nimmt die puristisch ausgerichtete Fanklientel das wohltemperiert eingestreute Material des aktuellen Tonträgers "X" auf. Der Mehrheit scheinen die durch Synthesizer und Sequenzer aufgepeppten Muntermacher mit reichlich Ohrwurmqualität ein wenig zu modern und eine Spur zu technisch geraten zu sein. Der perplexe Blick von Elliott jeweils am Songende spricht jedenfalls Bände: Da kenne sich noch einer mit dem gängigen Publikumsgeschmack aus. Zum Finale greifen "Def Leppard" noch einmal tief in die Mottenkiste und kredenzen einen Klassiker nach dem anderen. Ihre Reputation als prächtig Partystimmung verbreitende Rockheroen hat jedenfalls nicht gelitten. MICHAEL KÖHLER © F.A.Z. Electronic Media GmbH 2001 - 2004